Vorfahrt

Und wie kommt man auf so eine Idee?

Die Idee für meine Radreise entstand früh morgens gegen 5 Uhr nach einem illustren Abend in meiner Heimatstadt Dieburg.

Die Sonne geht auf, die Vögel zwitschern, der Kopf ist leicht angeduselt.

Ich treffe mich online mit meinem Freund in China (Guangzhou) und betone nochmal eindrucksvoll, dass ich ihn auf jeden Fall besuchen komme. Er müsste halt nur so ca. 1 Jahr warten. Denn ich komme mit dem Fahrrad.

Zuvor war ich Monate lang mit meiner Idee alleine. Hatte auch eine erste Test-Fahrt nach Budapest hinter mir, um zu prüfen, ob mir das Radreisen wirklich gefällt.

Meine ersten Gedanken, eine längere Radtour zu machen, funkeln auf, als ich während einer Radtour auf meiner Lieblingsstrecke wieder dem Heimweg antrete.

Es läuft rund, ich könnte noch Stunden weiter fahren. Voll im Einklang mit der Natur. Dieser schönste aller schönen Momente in einem Radler-Leben.

Was ist hinter dem nächsten Hügel? Wie verändert sich die Natur? Welche Menschen begegnen mir? Welche Abenteuer warten auf mich?

Es formt sich der erste Wunsch und ich recherchiere weitere Radler Geschichten, lese Erfahrungsberichte, sammle Checklisten. Lerne dadurch sehr interessante Leute kennen, die das schon mal gemacht haben. Bin in guter Gesellschaft.

Ich verschlinge die Bücher, bin ganz nah bei ihnen. Ich kann ihre Geschichten so gut nachvollziehen, so direkt empfinden. Dabei sein. Spüre, dass ich es auch will. Mehr und mehr. Noch direkter empfinden. Ich. Erleben.

Die erste Hürde ist, diese Idee, diese wahnsinnige, auf nichts als einem Wunsch und ein paar Traumbildern basierenden Idee, selbst zu akzeptieren. Das ist womöglich auch die größte Hürde, die zu meistern ist.

Das erste Mal laut aussprechen, was vorher nur ein zaghafter Wunsch war. Das Gewusel im Kopf Realität werden zu lassen.

Je mehr ich die Idee mit Freunden und meiner Familie bespreche - oder versuche zu besprechen - desto mehr bestärke ich mich in der Idee, es wirklich zu tun.

Viele sind sofort begeistert, nach dem ersten Satz kommen dann meist schon die ersten Gedanken über Gefahren und Risiken, bis sich das Gespräch nur noch auf die Risiken und Gefahren beschränkt.

Kaum ein Gespräch, bei dem ich nicht meine Geduld übe und immer wieder darauf verweise, dass ich mir allen Risiken bewusst bin (siehe Risikoliste).

Kurze Zeit später spreche ich dann überhaupt nicht mehr von meinem Vorhaben. Gehe lieber in mich, konzentriere mich auf die Planung und kehre meine Aufmerksamkeit vollständig nach innen.

Die Erfahrungen der anderen Reisenden motiviere mich, weiter zu machen. Ich male mir Situationen ganz lebendig aus, mache kleine Filme daraus und stelle mir lebhaft vor, wie ich das Himalaya-Gebirge sehe, nach China einrolle, die Wüste spüre und bei Daniel in Guangzhou und Ralph in Singapore ankomme. Ich habe keinen blassen Schimmer von China, geschweige denn von Singapur oder den Ländern dazwischen.

Meine Erfahrungen fundieren bis jetzt vollständig auf Internet-Wissen und Erzählungen von anderen.

Du bist echt besonders

Echt nicht. Als Kind bin ich kaum aus Deutschland raus gekommen. Ich fand's prima so wie es ist. Kein Interesse an Ausland. Der jährliche Urlaub über die Sommerferien in Italien - meistens Toskana - war ausreichend.

Als Jugendlicher dann mal in die Karibik. Der Ritt ist diffus im Jugendrausch verschwommen. Nur die ersten Tauchkurse sind mir in Erinnerung. Das fliegen unter Wasser, leicht schweben, frei sein. Eine kleine Flucht aus dem schweren Alltag, der sich im Wesentlichen um Familienprobleme dreht, auf die ich keine Antworten habe.

Ein paar Jahre später erkunde ich Ägypten auf den üblichen Touristenpfaden, besuche einen Sprachkurs in Spanien und entdecke Mallorca zum Rennrad fahren.

Mehr und mehr spüre ich, dass ich Radfahren wirklich mag. Vor allem die langen ruhigen Touren liegen mir. Dass ich jemals längere Radtouren fahre und so die Welt erkunde ist zu diesem Zeitpunkt kein Thema.

Plötzlich ist es da. So klar vor mir. Ich muss es nur machen. Vor allem: Zulassen.

Und planen. Ich lese alle Bücher, die es über Radreisen gibt, besuche die Touristen Messe in Frankfurt, treffe Tilmann Waldthaler, den ich bisher nur aus seinen Büchern kenne. Dort sehe ich seine Räder, die mit ihm auf Reisen waren.

Ich erkenne immer mehr, dass Reisen kein Hexenwerk ist sondern mehr das zulassen, das machen, das 'in die Tat umsetzen'. Kein Geschwafel sondern machen.

Diese Einstellung wird zu meiner neuen Maxime.

In diesem Zusammenhang ist mir das Selbstreise-Handbuch aus dem Peter Meyer Verlag sehr lebhaft in Erinnerung.

Es zeigt mir sehr pragmatisch, wie die Reise vor allem mit mir zu tun hat. Das Buch gibt mir viele neue Erkenntnisse an die Hand und nimmt mir viele Sorgen ab. Ich sehe mich täglich mehr auf dem Rad und ich freue mich richtig darauf, das auszuprobieren. Besser: zu schauen, ob das wirklich so einfach geht mit dem Reisen.

Wie dieses Buch entsteht

Ich schreibe diese Zeilen mit über sechs Jahren abstand. Mir fällt es schwer, meine Tagebuchnotizen abzuschreiben und ich verschiebe das sehr erfolgreich über mehrere Jahre.

Ich kann mir heute schon fast gar nicht mehr vorstellen, dass ich diese Reise erlebt habe.

Die ursprünglichen Texte habe ich nur minimal überarbeitet und so auch manchen (Un-)Sinn beibehalten.

Viele meiner Notizen und Anmerkungen erscheinen mir aus heutiger Sicht recht naiv. Bei manchen Passagen füge ich daher meine heutige Einschätzung und Erkenntnisse als Kommentar ein.

Wie auch immer. Dieses Buch entsteht mit einem gewissen Abstand zur Reise.

Die Zeiten repräsentieren immer die lokale Zeit im jeweiligen Land.

Checklisten

Ich habe zahlreiche Checklisten im Internet und aus Büchern gesammelt und Stück für Stück an meine Bedürfnisse angepasst.

Am Ende war alles nur noch eine riesige Checkliste - und es war meine eigene.

Herausgearbeitet aus vielen vielen anderen Checklisten, von denen, die so smart waren, sie zu veröffentlichen, zum Beispiel auf http://www.reise-checkliste.eu. Danke Alf!

Die Checkliste von Alf hat mir enorm geholfen und ich empfehle jedem, der eine längere Reise plant, eine Checkliste anzulegen und von anderen zu lernen!

Zusätzlich zu der Checkliste habe ich detaillierte Merkblätter mit Checklisten zu jedem Land gemacht: Landkarte, Position auf der Weltkarte und die wichtigsten Fakten zu Politik und Einreise basierend auf den Empfehlungen, Hinweisen und Visa-Bestimmungen vom Auswärtigem Amt.

Daraus entsteht eine Art Nachschlagewerk für meine Reise - eher gedacht für die, die zuhause bleiben. Und für mich, um einen ersten Eindruck zu bekommen.

Ich hatte mir auch ein Dokument mit den wichtigsten Fragen und Antworten erstellt:

  • Wer bin ich?
  • Habe ich eine Familie?
  • Bin ich verheiratet?
  • Wo lebe ich? Woher kommst Du?
  • Wofür ist Deutschland bekannt?
  • Hast Du Bilder von zuhause? Wie sieht es bei Dir aus?
  • Was mache ich?
  • Welche Ausbildung habe ich?
  • Welche Hobbys habe ich?
  • Warum fahre ich mit dem Fahrrad?
  • Wie lange bist Du schon unterwegs?
  • Warum hast Du Dir gerade dieses Land ausgesucht?
  • Wo liegt mein Ziel? Welches Ziel möchte ich erreichen?
  • Warum fliege ich nicht mit dem Flugzeug direkt nach China?
  • Warum fahre ich nicht mit dem Auto?
  • Hast Du denn keine Angst?
  • Vermisst Du Dein Zuhause? Deine Frau? Deine Familie?
  • Bist Du auf der Flucht?
  • Was macht Dich besonders?
  • Wer muss im Notfall verständigt werden?
  • Welche Länder hast Du bereits bereist / welche Länder willst Du noch bereisen?
  • Wie finanzierst Du Deine Reise?
  • Wie bleiben wir in Kontakt?
  • Warum habe ich Spritzen in meinem Gepäck?
  • Warum habe ich Pfefferspray in meinem Gepäck?
  • Kannst Du mich mit nach Deutschland nehmen?

Ich hatte diese Antworten sogar auf russisch übersetzen lassen. Danke Diana!

Diese Liste spiegelt schön meine damalige Weltsicht wider finde ich und ist daher für mich heute eher amüsant. Bestenfalls nützlich zur Selbsterkenntnis.

Während meiner Reise war sie nicht nützlich, denn kein Mensch wollte jemals solche Details von mir wissen (eher 'woher - wohin'). Und die Antworten kann wohl jeder beantworten, ohne das Papier mitzuschleppen.

Versicherung

War mir wichtig. Habe eine Auslandskrankenkasse über 1-Jahr abgeschlossen.

Daran denken: die Versicherungsbescheinigung auf englisch anfordern!

Zeitplan

Sehr wichtig.

Mein Wissen über klassische Projektplanung hat mir sehr dabei geholfen, die optimalen Klima- und Visum-Bedingungen zu sammeln und übersichtlich gegenüber zu stellen.

So bekomme ich einen (ersten) Eindruck davon, was ich vorhabe und sehe, wenn sich etwas zeitlich in die Quere kommt, zum Beispiel im Winter im Himalaya ankommen.

Im Nachhinein war das sehr eindrucksvoll und sehr groß gedacht.

Zum Beispiel wollte ich nach Indien… alles in einem Jahr… Rückblickend sehr lustig.

Der Zeitplan ist ein sehr nützliches Dokument, auch wenn die Pläne während der Reise ständig umgeworfen werden.

Budgetplanung

Bewusst konservativ planen.

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